http://www.wildcat-www.de/wildcat/45/w45sskb2.htm
Textauszug
Moderne Psychiatrie heute: Die lautlose Vergiftung im psychiatrischen Spinnennetz
Die öffentliche Kritik gab den Anstoß, die Modernisierung und Ausweitung der Psychiatrie, wie sie schon seit Mitte der 70er Jahre (Psychiatrie-Enquete der Bundesregierung) geplant war, in Gang zu setzen. Die breite Kritik richtete sich vor allem gegen die mittelalterlichen Zustände und barbarischen Methoden in den alten Großanstalten, nicht gegen das Psychiatriesystem an sich. Ein guter Anlaß für die Psychiater, Geld für »Alternativeinrichtungen« locker zu machen und ihren Einflußbereich noch zu vergrößern. Dabei kommt ihnen die inhaltliche Kritik an der klassischen Psychiatrie entgegen, die nicht den Herrschaftscharakter von Psychiatrie und Medizin als solchen bloßlegt, sondern das Außerachtlassen einzelner Faktoren bemäkelt. Wenn gesagt wird, daß Gesellschaft oder Arbeit krank machen, greifen sie das inzwischen auf. Unter Berufung auf diese Kritik versuchen sie, die gesamte Gesellschaft psychiatrisch zu erfassen oder Betriebsräte zu Hilfspsychiatern zu machen (s. Kasten). Die Sozialpsychiater träumen schon seit langem von einem Netz von Ambulanzen, Tages- und Nachtkliniken, Kleinstheimen, Beratungsstellen und psychiatrisch-alternativen Ausbeutungsklitschen. Um aufzuzeigen, in welche Richtung die Entwicklung der gemeindenahen Psychiatrie führen würde, wurde von radikalen Kritikern das Bild eines totalen psychiatrischen Überwachungsstaates gezeichnet. Diese Horrorvision war sicher übertrieben. Es wird nicht hinter jedem von uns ein Blockpsychiater als moderner Blockwart mit der Spritze herlaufen. Gerade in den letzten Jahren wird häufiger wieder zur offenen Methode des Bullenknüppels gegriffen. Sozialtechnologie ist schließlich teuer. Dennoch läßt sich eine Ausweitung der Psychiatrie feststellen: mehr Leute kommen in irgendeiner Form mit ihr in Berührung, der Psychopharmakaverbrauch steigt. Schon Schulkinder werden mit Psychopharmaka ruhiggestellt und lernfähig gemacht. Danach können sie gleich weiter schlucken, um die Maloche oder das Hausfrauendasein zu ertragen. In den Tageskliniken, Ambulanzen und Arztpraxen werden sie gut versorgt – die Dealer sitzen überall.